„7000 Jahre Freunde und Feinde“. So ungefähr 220 Kilometer lang ist die Lippe,
und damit der längste Fluss in NRW. „So ungefähr“, weil das so ganz genau
nicht feststellbar ist. Auch von Rosemarie Schloßer nicht, der Chefin des
Hermann Grochtmann-Museums in Datteln. Dort ist der kleinere, aber
versicherungstechnisch wertvollere, Teil der Wanderausstellung „Mensch und
Fluss, die Lippe, 7000 Jahre Freunde und Feinde“ derzeit untergebracht.
Der andere Teil der, von Kurator Dr. Georg Eggenstein für den LWL
zusammengestellten Schau, ist im Bauch des historischen Schleppkahns „Ostara“
im Schleusenpark Henrichenburg zu sehen. Dass „Ostara“ die römische Göttin der
Morgensonne war, das verschloss sich den Mitgliedern des Plattdeutschen
Sprach- und Heimatvereins Datteln, die nach früherer Besichtigung der Exponate
im HGM, jetzt das Bild komplettieren wollten. Als sie mit der Vorsitzenden,
Gertrud Ritter, an der Spitze am Tag vor Fronleichnam das Ausstellungsschiff
besuchten, schüttete es von oben wie aus Kübeln. Was Rosemarie Schlosser zu
der ermutigenden Aussage verleitete, Heimatkunde sei eben keine
Hallensportart. Der heimische Fluss, der gleich hinter Datteln vorbei fließt,
die nördliche Grenze des „Reviers“ bildet, und alles, was „achter de Lipp‘“
liegt, ins Münsterland verbannt, erwies sich auch im ehemaligen Laderaum der
„Ostara“ als spannendes Thema. Scheint es auf den ersten Blick heute so, als
sei die Lippe nur noch ein friedlicher Fluss, der der idyllischen Lippeaue den
Namen und inzwischen – nach etlichen Jahrzehnten des üblen Missbrauchs durch
häufig ungeklärte Abwassereinleitungen – dem einen oder anderen Edelfisch
wieder eine Heimat gibt, so ist ihre Bedeutung nach wie vor enorm. Zum
Beispiel bei der Regulierung der Wasserstände in den vier künstlichen
Wasserstraßen, die Datteln zum größten Kanalknotenpunkt der Welt gemacht
haben. Die Lippe hatte für die Menschen zu allen Zeiten wichtige Funktionen.
Sie war in 7000 Jahren Fischerei-Revier, Verkehrsweg, Grenze, Kultplatz,
militärische Befestigung sowohl bei den Römern in vorchristlicher Zeit als
auch zur Franzosenbesatzung in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Mühlen
standen an ihren Ufern wie etwa die Papiermühle nahe Haus Vogelsang am
ehemaligen Lippewehr an den Stromschnellen in Ahsen. Als Energiequelle wurde
sie genutzt. Städte wie Hamm, Kamen, Werne, Lünen, Haltern und Dorsten gingen
aus Lippe-Siedlungen hervor. Auch Datteln hat mit dem ehemaligen Fischer- und
Schifferdorf Ahsen einen direkten Lippezugang.
Text und Fotos: HJR