Rede zur Enthüllung der Zeittafel am Standort der ehemaligen Synagoge am 27.
Januar 2015
von Theodor Beckmann
Vorsitzender des Plattdeutschen Sprach- und Heimatvereins Datteln 1922 e.V.
Liebe Dattelnerinnen, liebe Dattelner!
Ich freue mich, dass Sie heute Mittag so zahlreich hier vor dem Haus am
Türkenort 1 zusammen gekommen sind. Ich möchte Sie alle recht herzlich
begrüßen zu unserer Aktion aus Anlass des Holocaust-Gedenktages 2015. Heute
soll hier diese Tafel enthüllt werden, die Sie noch unter dieser schwarzen
Kunststofffolie verdeckt sehen.
Ganz besonders begrüßen möchte ich Dattelns Bürgermeister André Dora, der
sofort – trotz seines randvollen Terminkalenders – seine Zusage gegeben hat,
als ich ihn bat, mit mir zusammen diese Tafel hier und heute zu enthüllen.
Ebenso begrüße ich die Vertreter der katholischen und evangelischen
Kirchengemeinden, Pfarrer Martin Limberg, Pfarrerin Susanne Kuckshoff und
Diakon Horst Borries. Des Weiteren möchte ich die politischen Repräsentanten
aus dem Rat der Stadt begrüßen, die Vertreterin der SPD Frau Schmitz, den
Fraktionsvorsitzenden der CDU Thomas Benterbusch, den stellv. Vorsitzenden
Rolf Sonderkamp und den Fraktionsvorsitzenden der Wählergemeinschaft Die
Grünen Mohamed El-Zein. Und ich freue mich die Vertreter des Mieters dieses
Hauses begrüßen zu können, Sie alle wissen, dass hier seit diesem Jahr das
Freiherr-vom-Stein-Hauses eine Außenwohngruppe eingerichtet hat. Vom Johannes-
Werk begrüße ich Herrn Holtermann und Herrn Quinkenstein. Außerdem möchte ich
mich bei der Familie Kenkmann, den Eigentümern dieses Hauses, dafür bedanken,
dass sie ihr Einverständnis dazu gegeben haben, diese Tafel hier aufstellen zu
dürfen.
Für diese Aktion, die Enthüllung dieser Tafel, haben wir bewusst den heutigen
Tag gewählt. Denn heute – Dienstag, der 27. Januar 2015 – ist ein
einzigartiger Gedenktag, den wir in Datteln nicht so einfach vorbei streichen
lassen wollten. An diesem Tag vor 70 Jahren wurde das KZ Auschwitz-Birkenau
von Soldaten der Roten Armee befreit. Innerhalb von etwa drei Jahren, wurden
allein in diesem KZ etwa 1,1 Millionen Juden auf grauenvolle Weise ums Leben
gebracht. Und nicht nur Juden wurden getötet, sondern auch Sinti und Roma,
politische Gegner, vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, und katholische
und evangelische Christen, religiös Andersdenkende, die nur Jesus Christus als
ihren Führer anerkannten, auch sie wurden damals verhaftet, gefoltert, in
Konzentrationslager gesperrt und ermordet. 70 Jahre später wird in Deutschland
und in weiten Teilen der Welt des größten Verbrechens der
Menschheitsgeschichte gedacht. Und wir hier in Datteln sind Teil dieses
weltweiten Aktionstages.
Jetzt möchte ich Herrn Dora bitten, mit mir ums Haus zu gehen und diese Tafel
zu enthüllen.
Rede BM Dora.
Dank an BM für seine Worte.
Mit dieser Gedenkveranstaltung am heutigen Tag, dem Holocaust-Gedenktag,
gedenken wir der Opfer des Nazi-Regimes. Dieser Standort hier verdeutlicht
uns, dass es sich bei den Aktionen gegen Juden nicht um anonyme Übergriffe
handelte, bei denen irgendwo in sicherer Entfernung von Datteln Menschen
gequält wurden, nein hier an dieser Stelle können wir uns immer wieder bewusst
machen, dass auch hier in Datteln unbescholtene jüdische Mitbürger verhaftet
wurden, dass jüdische Geschäfte zerstört wurden, dass das Inventar der
jüdischen Synagoge verwüstet wurde. Wir gedenken ihrer, damit sie keinen
zweiten Tod sterben, den Tod der Gleichgültigkeit und der Bedeutungslosigkeit.
Es ist das Einzige, was wir für sie noch tun können.
Nun war es aber unser Anliegen, das Gedenken und Erinnern nicht auf einen
bestimmten Tag im Jahr zu beschränken, sondern wir wollten der Dattelner
Bevölkerung und den auswärtigen Besuchern unserer Stadt dauerhaft vor Augen
führen, welche Folgen die menschenverachtende Diktatur der Nationalsozialisten
hier in Datteln gehabt hat. Aus diesem Grunde haben wir jetzt hier, am
Standort der ehemaligen Synagoge an der Ecke Marktstraße / Türkenort, eine
Gedenktafel aufgestellt, die ebenso wie unsere Tafel am Jüdischen Friedhof
zugleich Erinnerung und Mahnung sein soll.
Ich bin froh, dass wir mit dem Aufstellen dieser Gedenktafel am Standort der
ehemaligen Synagoge im Jahre 2015 endlich das nachgeholt haben, was uns all
unsere Nachbargemeinden im Umkreis, im Kreis Recklinghausen, im Kreis
Coesfeld, im Kreis Lünen, ja im gesamten Ruhrgebiet vorgemacht haben: wir
haben an dem Standort eine unserer Zeittafeln aufgestellt, an dem die jüdische
Gemeinde ihre Synagoge errichtet hatte, die sie zwischen 1929 und 1938 als
Gotteshaus nutzte.
Im Stil der Tafeln, die der Plattdeutsche Sprach- und Heimatverein an vielen
Stellen im Stadtgebiet bereits aufgestellt hat, macht diese Zeittafel, die der
Verein hier und heute der Dattelner Öffentlichkeit präsentiert, aufmerksam auf
die Einzelheiten der Baugeschichte. Möge sie helfen, kraftvoll für eine
Gesellschaft ohne Rassismus zu werben, möge sie helfen, uns dauerhaft für
Würde und Versöhnung einzusetzen, möge sie helfen, Fanatismus und Gewalt zu
begegnen.
Jagdszenen auf Juden und Muslime oder antisemitische Parolen auf deutschen
Straßen sind Angriffe auf uns alle. Ich möchte Sie deshalb abschließend
bitten: Helfen Sie mit, alles zu tun, um Menschen jeden Glaubens – egal ob
jüdischen, christlichen, muslimischen oder gar keinen Glaubens – in gleicher
Weise als Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und dieses Landes und als hier
lebende Menschen zu schützen. Helfen Sie mit, dass Menschen nie wieder Opfer
des kaltblütigen Terrors gegen Andersgläubige werden.
Vielen Dank für Ihre Mithilfe.
_Abschluss: Gebet.