Datteln. Acht Frauen und fünf Männer jüdischen Glaubens aus Datteln kamen
während des Zweiten Weltkriegs in Riga ums Leben.
Von Fabian Hollenhorst, Dattelner Morgenpost, 31. Juli 2019
Die Reise nach Riga war für Theo Beckmann in seiner Funktion als Vorsitzender
des Heimatvereins eine Herzensangelegenheit.. Er begab sich auf die Spuren von
13 Dattelner Juden, die 1942 in die lettische Hauptstadt gebracht wurden und
dort zu Tode kamen. Wieder zurück in Datteln regt Beckmann nun bei
Bürgermeister André Dora an, dem Riga-Komitee des Volksbundes Deutscher
Kriegsgräberfürsorge beizutreten.
Das Getto von Riga – viel habe sich laut Theo Beckmann im Vergleich zu den 40er
Jahren nicht geändert. Es sei, wie zu der Zeit als Juden aus ganz Deutschland
nach Riga verfrachtet wurden, ein sozialer Brennpunkt der Hauptstadt. Der Zug,
der am 27. Januar 1942 von Dortmund aus mit 13 Juden aus Datteln und Tausenden
weiteren aus der ganzen Region in Richtung Riga aufbrach, sei einer der letzten
aus Deutschland gewesen.
Theo Beckmann (li.) liest an der Gedenkstätte im „Wald der Toten“ die Namen der
Dattelner Opfer vor. (Foto: Privat)
Es sei eine bedrückende Atmosphäre gewesen, als er von dort zum Wald von
Bikernieki – dem Wald der Toten – aufbrach. Dahin, wo 35.000 Juden ermordet
oder verscharrt wurden. 25.000 davon seien von den Nazis aus Deutschland
dorthin gebracht worden, berichtet Beckmann. „Hier im Wald von Bikernieki
wurden in den Jahren 1941 bis 1944 durch das NS-Regime und dessen freiwillige
Helfer Tausende Juden aus Lettland, Deutschland, Österreich und Tschechien
sowie politisch Verfolgte und sowjetische Kriegsgefangene ermordet“, steht am
Waldeingang auf Steintafeln in vier Sprachen geschrieben.
Beckmann, der im Rahmen einer Studienreise des Volksbundes Deutsche
Kriegsgräberfürsorge und des Kolping-Bildungswerkes Münster nach Riga gereist
war, bringt seine Erlebnisse auf den Punkt: „Das Grauen verfolgt einen dort auf
Schritt und Tritt. Wer auf diesem Waldstück gewesen ist, muss von diesen
unzähligen Massengräbern berührt werden.“ An einer zentralen Gedenkstätte
mitten im Wald, wo knapp 5000 Granitsteine in den Boden eingelassen wurden,
ließ Theo Beckmann es sich nicht nehmen, die Namen der fünf Männer und acht
Frauen aus Datteln vorzulesen, die dort zu Tode kamen. „Das war mein Beitrag im
Rahmen einer Gedenkfeier“, so der Heimatvereinsvorsitzende.
Neben dem Getto und dem Wald der Toten besuchte Beckmann auch den „Alten
Jüdischen Friedhof“, der während des NS-Regimes fast komplett zerstört wurde.
Auch dort steht eine Gedenktafel, die mit einem Davidstern versehen ist.
Ebenfalls stand der Besuch eines deutschen Soldatenfredhofes bei dieser
„ernsten Reise“ auf dem Programm. Im Zuge des Einmarsches der Russen im Jahr
1944 sind in Riga Tausende Deutsche Soldaten gefallen. Die russische Besatzung
dauerte bis 1991 an. Seitdem geht es laut Theo Beckmann nicht nur touristisch
aufwärts, auch das Riga-Komitee, das aus 56 Städten aus ganz Deutschland
besteht, arbeitet an vielen Projekten in der Hauptstadt. Zuletzt sind mit
Borken und Bottrop Gemeinden aus der unmittelbaren Dattelner Nachbarschaft
eingetreten.
Und Datteln soll nun folgen, wenn es nach Theo Beckmann geht. Diesen Wunsch
übermittelte er nun zusammen mit Eindrücken der Reise Bürgermeister André Dora.
„Es ist Zeit für Datteln, das Projekt ebenfalls zu unterstützen“, schreibt er
in seinem Brief. 2000 Euro für den Erhalt und die Pflege der Gräber- und
Gedenkstätte Bikernieki müsste die Stadt dafür leisten. Beim Eintritt würde die
Stadt auf einem Gedenkstein in Riga verewigt und bekäme auf der Homepage des
Riga-Komitees eine eigene Unterseite, um von ihren Aktivitäten innerhalb des
Komitees zu berichten. Spätestens seit einer Riga-Ausstellung im
Dorfschultenhof wird an einem möglichen Eintritt ins Riga-Komitee auch aktiv
bei der Stadt gearbeitet, wie Sprecher Dirk Lehmanski erklärt: „Wir stehen dem
Thema positiv gegenüber.“ Über einen Eintritt müsste letztendlich der Stadtrat
entscheiden.
Die Eindrücke, die der Vorsitzende des Dattelner Heimatvereins dem Dattelner
Bürgermeister André Dora übermittelt hat, sind veröffentlicht unter:
https://www.gruene-datteln.de/die-erinnerung-wachhalten