Gegen das Vergessen – für die Demokratie

Das 4. Symposium des Deutschen Riga-Komitees fand in diesen Tagen in

Recklinghausen statt. Das am 23. Mai 2000 gegründete Riga-Komitee hat es sich

zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger

aufrecht zu erhalten, die 1941/42 in das Ghetto von Riga deportiert und dort

ermordet wurden. Die Gedenkstätte in Riga-Bikernieki mit den Namenstafeln

ihrer Heimatorte ist ein bewegendes Zeichen der Solidarität.

In der Stadt Datteln gibt es derzeit ernsthafte Bestrebungen, diesem Komitee

beizutreten. Der Vorsitzende des Plattdeutschen Sprach- und Heimatvereins

Datteln nahm deswegen die Gelegenheit wahr, im Rahmen dieses Treffens sich

sowohl über die Arbeit des Komitees zu informieren als auch zusammen mit dem

Kulturdezernenten Dirk Franke und der Leiterin der Volkshochschule Rosemarie

Schloßer die Vertreter des Komitees in die Pläne der Stadt Datteln

einzuweihen.

Natürlich ging es bei diesem Treffen auch um die Gedenkstätten in Riga, um

eine verbesserte Gestaltung der Informationsbedürfnisse der Besucher dort, um

eine zeitgemäßere, ergänzende Infrastruktur für Angehörige und Besucher im

Ghetto und in den Wäldern von Bikernieki und Rumbula.

Im Mittelpunkt des Treffens in Recklinghausen stand aber das Thema

“Zeitenwende der Erinnerung!? Wege der Gedenkkultur ohne Zeitzeugen angesichts

aktueller Herausforderungen.” In den letzten Jahren war diese Gedenkkultur

oftmals durch die Begegnung mit Überlebenden des Holocaust geprägt. Diese

Begegnungen lösten jedes Mal Betroffenheit und Empathie bei jungen und älteren

Zuhörer*innen aus, aber auch Neugier, die als Ausgangspunkt pädagogischer

Prozesse genutzt wurde. Es wurde um vieles leichter, hiermit eine inhaltliche

Auseinandersetzung mit dem NS-Regime anzustoßen, die Erinnerung an die

Verbrechen und Schrecken des Terrorregimes wach zu halten und das Engagement

für eine demokratische Gesellschaft der Gewaltenteilung, der Volkssouveränität

und des Schutzes der Menschenrechte darauf aufzubauen. Neben den

beeindruckenden Fahrten zu den nationalen und ausländischen Gedenkstätten

(z.B. Majdanek, Auschwitz, Buchenwald, Dachau) und den völkerverbindenen

Jugendbegegnungen bietet sich an, in der Erinnerungskultur der Mitgliedsstädte

des Riga-Komitees Fahrten nach Lettland zu verankern.

In Zukunft wird die Beschäftigung mit den früheren Nachbarn und Nachbarinnen

stärker in den Mittelpunkt der Erinnerungskultur treten. Der Weg, über die

Gefühle Betroffenheit und Empathie Interesse zu wecken, hat sich bewährt, um

die Aufarbeitung der Verbrechen der nationalsozialistischen Herrschaft zu

initiieren. Den früheren Nachbar*innen aus der Stadt, aus der in der Nähe

liegenden Straße einen Namen zu geben, ihnen ein Gesicht und eine

Lebensgeschichte zu geben, führt zwangsläufig zur Auseinandersetzung mit den

Rahmenbedingungen, die dazu führten, dass diese Menschen aus dem städtischen

Leben verschwunden sind, sei es durch Flucht nach USA oder Palästina,

verbunden mit dem Verlust der geliebten Heimat, sei es durch Deportation und

Ermordung in den Vernichtungslagern des Ostens. Dabei kann die Idee der

Stolpersteine helfen.

Die zwei Tage in Recklinghausen haben den Eindruck verstärkt, dass der

inzwischen entstandene regelmäßige Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen den

Mitgliedsstädten des Deutschen Riga-Komitees von großer Bedeutung ist, weil

die demokratischen Errungenschaften immer wieder erkämpft, bewahrt und

verteidigt werden müssen. Deshalb sollten wir in Datteln die Anregung aus der

Bürgerschaft aufgreifen und einen Ratsbeschluss herbeiführen, der den Beitritt

zum Deutschen Riga-Komitee beinhaltet.

Foto: Im Rahmen des 4. Symposiums des Deutschen Riga-Komitees in Recklinghauen

traf der Vorsitzende des Dattelner Heimatvereins Theodor Beckmann auch zwei

Vertreter aus Riga, Frau Marika Barone, Deputy Head of International

Cooperation and Coordination Division at Riga City Council, und Herrn Guntis

Gailitis, Direktor der Denkmalbehörde in Riga.