Zeittafel des Heimatvereins soll Ende des Jahres aufgestellt werden

von Ingrid Wolf

Datteln. Sie wurde 1929 erbaut, hat nur neun Jahre der jüdischen Gemeinde als Betsaal gedient. Während der November-Pogrome im Jahr 1938 wurde die Einrichtung der Synagoge an der Marktstraße zerstört. Jetzt soll eine Zeittafel an das Gebäude erinnern.

Der Plattdeutsche Sprach- und Heimatverein hat die Zeittafel erstellen lassen. Mittlerweile gibt es 22 solcher Tafeln an historischen Stätten in Datteln. Im Rahmen der Gedenkfeier zum ). November im Hermann-Grochtmann-Museum präsentierte Heimatvereins-Vorsitzender Theo Beckmann die neue Tafel, die noch auf Initiative seiner Vorgängerin Gertrud Ritter in Auftrag gegeben wurde.

Eigentlich sollte die Erinnerungstafel im vergangenen Jahr – als sich die Pogrome zum 75. Mal jährten – aufgestellt werden. Aber an der Stelle, wo sich einst die Synagoge befand – an der Ecke Türkenort/Marktstraße – entstand gerade ein Neubau. Der ist jetzt fertig, und Ende des Jahres soll die Tafel an dem Standort angebracht werden.

Theo Beckmann hat die Geschichte der Synagoge aufbereitet. Anfang des 19. Jahrhunderts ließen sich ersten Juden in Datteln nieder. Lange Zeit haben sie in Privaträumen gebetet. „Der Plan, ein eigenes Gebäude zu errichten, kam erst relativ spät,“ so Theo Beckmann. Die Bauakte existiert noch. Am 21. Mai 1929 hatte der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, David Goldberg, den Bauantrag gestellt, die Genehmigung folgte am 28. Juni des Jahres. Schon am 5. Oktober 1929 wurde der erste Gottesdienst dort gefeiert, die offizielle Einweihung folgte am 16. Dezember 1929.

Der letzte Gottesdienst in der Synagoge fand vor den November-Pogromen statt: am 23. Oktober 1938. Zu dem Zeitpunkt waren bereits viele Dattelner Juden vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten geflohen, es gab zu wenig jüdische Männer, um einen Gottesdienst abzuhalten. Das Gebäude selbst war schon vor dem 9. November 1938 an einen Bäckermeister verkauft worden. Vielleicht eine Erklärung dafür, dass das Haus bei den Pogromen verschont wurde, nicht aber die noch vorhandene sakrale Inneneinrichtung. Das Gebäude war lange als Schuppen genutzt worden, 1984 wurde es abgerissen. Es gibt nur zwei Fotos, die aus den 70er Jahren stammen, aber keine Bilder als Synagoge. „Das ist schade“, sagt Pfarrer Thomas Mämecke. Er hofft, das vielleicht noch irgendwo Bilder aus dieser Zeit schlummern.

Präsentieren die neue Zeittafel (v. li.): Pfarrer Thomas Mämecke, Rosemarie Schloßer, Theodor Beckmann, Bürgermeister André Dora, Gertrud Ritter und Pfarrer Martin Limberg.

INFO Wer Fotos von der Synagoge aus den 30er Jahren hat (im Stadtarchiv gibt’s keine), kann sich mit Museumschefin Rosemarie Schlosser, Tel. 02363/107362, in Verbindung setzen.

Text der Zeittafel:

Standort der ehemaligen Synagoge

1814: Die ersten zwei jüdischen Familien siedeln sich in Datteln an.

1831: Ein Raum im Hause der Familie Hecht am Tigg dient als jüdischer Betsaal. In den folgenden Jahrzehnten nutzte die wachsende Gemeinde verschiedene Räumlichkeiten im Ortskern als Betsaal.

1912: Die jüdische Gemeinde erwirbt ein 458 qm großes Baugrundstück an der Ecke Marktstraße / Türkenort.

1929: Am 16. Dezember wird die von Architekt Hartmann entworfene schlichte Synagoge durch Bezirksrabbiner Dr. Steinthal (Münster) feierlich eingeweiht. Das Gebäude war einstöckig, seine Grundfläche betrug 55 qm, auf der Eingangsseite war es durch einen Treppengiebel geschmückt. Den Betsaal betrat man durch einen Vorraum. In fünf Bankreihen waren 40 Sitzplätze eingerichtet. Der Toraschrank war in die Apsis eingebaut.

1938: Die durch Verfolgung und Vertreibung sehr kleine Dattelner Gemeinde gibt ihr Gotteshaus auf, sie verkauft das Gebäude an einen ortsansässigen Bäckermeister. Am 23. Oktober hält Rabbiner Dr. Auerbach den letzten Gottesdienst, am 10. November soll die Inneneinrichtung verwüstet worden sein.

1984: Nachdem es lange Zeit als Lagerraum gedient hatte, wird das Gebäude im Zuge von Straßenbauarbeiten abgerissen.

Gewidmet vom Plattdeutschen Sprach- und Heimatverein Datteln 1922 e.V. am 9. November 2014